Mein Mann Fabian und ich hatten es uns so schön ausgemalt: Wir wollten ein großes Haus auf einer griechischen Insel – hach, direkt am Meer! – mieten und dort mit einer kleinen Gruppe aus digitalen Nomaden und anderen Reisenden den Dezember und Jahreswechsel verbringen. Es war wie eine Utopie – und es sollte auch eine bleiben.
Es gab Interessenten, und ja, wir waren ganz nah dran, diesen Traum umzusetzen, aber letztendlich hat es nicht geklappt. Woran kann es gelegen haben? Aus dieser Erfahrung heraus will ich hier ein paar fiese Fallen beschreiben, in die man bei der Planung eines Co-Living/Co-Working oder einer Workation tappen kann. Fabian und ich haben diese Fehler nicht alle gemacht, aber ein, zwei reichen auch schon, damit es schwierig wird.
Im Podcast hört ihr mehr über unsere Co-Living-Planungen:
Also, hier meine kleine Warnliste beziehungsweise meine Tipps an alle, die voll Bock haben, ein Co-Living zu planen. Wie sind eure Erfahrungen? Teilt sie mir gerne mit. Am Ende lest ihr mein Fazit, wie ich es beim nächsten Mal besser angehen würde.
1. Erste Hürde: Mitbewohnersuche
Wie oder wo finde ich Mitbewohner*innen für ein Co-Living/Co-Working? Darüber haben Fabian und ich uns im Vorfeld keine Gedanken gemacht – wir wollten unser Angebot einfach, wie wir es von anderen digitalen Nomaden kannten, in diversen Facebook-Gruppen für Reisende und digitale Nomaden posten, und fertig aus. Aber hier gibt es schon einen Haken: Gerade in großen Facebook-Gruppen sind Co-Living-Angebote offenbar nicht (mehr) sooo gerne gesehen. Man verstößt damit zwar nicht offiziell gegen die Gruppenregeln, oft werden die Posts aber nicht freigegeben beziehungsweise hängt es von der Laune eines Admins ab, ob dein Angebot veröffentlicht wird. In einigen Gruppen muss man mittlerweile Gebühren zahlen, um für ein privat organisiertes Co-Living zu werben. In einer Community für Reisende wurde ich aufgrund meiner Post-Anfrage unkommentiert für immer gebannt. Mein Tipp also: schon im Vorfeld unter Freund*innen und Bekannten Werbung machen.
Und: bloß nie den Post auf das Mindeste zusammenkürzen, weil eventuell ein Inhalt gegen die Regeln verstoßen könnte. Meistens ist das nämlich gar nicht das Problem, sondern wird der Beitrag nach mehreren (!) Anläufen dann doch freigegeben. Wir haben einmal alle Infos, die Werbung für uns (z.B. Fabians Tätigkeit als Yogalehrer) sein könnten, gelöscht, nur damit der Post nicht verdächtig ist und veröffentlicht wird. Dadurch war er aber so zusammengedampft, dass er kaum wahrgenommen wurde.
2. Problem Doppelzimmer
In vielen Unterkünften gibt es vor allem Doppelzimmer. Und zugegeben, oft kann man als Anbieter eines Co-Living mit Pärchen oder teilweise Pärchen besser kalkulieren, weil sich die Miete eben auf zwei Geldbeutel verteilt. Aber: Unsere Erfahrung ist, dass die meisten digitalen Nomaden, die sich für ein Co-Living interessieren, alleine reisen. Auch Menschen mit festem Wohnsitz, die nur mal eine Workation ausprobieren wollen, kommen eher allein, weil potentielle Reisepartner wie die Frau oder Freundin gar nicht remote arbeiten können. Also: besser nur mit Alleinreisenden kalkulieren, die für das Einzelzimmer nicht mehr zahlen wollen wie eine Person im Doppelzimmer – das ist realistischer, macht die Planung finanziell aber zu einer größeren Herausforderung.
3. Die Kälte-Falle
Mein Eindruck ist, dass der Großteil der digitalen Nomaden im Winter in die „richtige“ Wärme will. Frühlingshafte 15 bis 20 Grad mit wechselhaftem Wetter reichen nicht unbedingt, um massenhaft Interessenten anzulocken. Fabian und mir genügen 15 Grad ja und auch auf den Kanaren ist man nicht vor Stürmen sicher. Aber wer wie viele Nomaden die absolute Freiheit hat und von überall auf der Welt arbeiten kann (soweit es eine gute Internetverbindung gibt), nutzt das auch gerne und sucht sich für den Winter Ziele mit sehr beständigem bis tropischen Wetter. Also besser Bali als Capri. 😉
4. Lage voll daneben
Digitale Nomaden, die wie wir mit dem Auto reisen, sind eher die Ausnahme. Die meisten eurer Interessenten werden aufs Flugzeug angewiesen sein. Daher: Wenn der Flughafen zu weit weg von der Unterkunft liegt, wird es schwierig. Ein bis zwei Stunden gehen aber. Auch sollte man vom Flughafen einigermaßen gut per Bus oder Zug zum Co-Living gelangen. Hier besonders tückisch: Es gibt zwar gute Flugverbindungen, aber die Preise steigen im Laufe der Planung rasant an. Oder: Im Sommer sind die Flugverbindungen top, in der Nebensaison aber unterirdisch. Hier sollte man im Vorfeld also besonders gut recherchieren. Und, meine Meinung: sich besser für einen belebten, erprobten, hippen Nomaden-Ort entscheiden als für die vielleicht spannendere, aber kompliziertere, unerprobte und individuellere Variante.
5. Die Konkurrenz ist hart
Auch bei Co-Living-Häusern gibt es mittlerweile Angebote wie Sand am Meer. Nomaden-WGs sind ein Markt, kleine private Angebote können es daher schwer haben. Durch die große Konkurrenz muss man einen guten Preis machen, wenn man alle Zimmer vermieten möchte. Für das schöne Strandhaus in Griechenland wollte der ein oder andere digitale Nomade so 350 bis 400 Euro im Monat für ein Einzelzimmer zahlen. Da hätten wir als Organisatoren am Ende draufgezahlt, obwohl uns der Vermieter einen fairen Preis gemacht hatte, in dem Strom und Heizung inklusive waren – was zurzeit aufgrund der Energiekrise nicht selbstverständlich ist. Insgesamt haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Monatspreis pro Person 600/700 Euro nicht übersteigen sollte, aber das ist sicherlich individuell auch sehr unterschiedlich.
6. Ziemlich kurzer Zeitraum
Gerade für die Wintersaison gibt es Co-Living-Häuser, die bis zu sechs Monate angeboten werden. Das hat den Vorteil, dass die Zeiträume flexibler wählbar sind. Nur für einen oder zwei Monate ein Haus zu mieten, kann ein Nachteil sein, weil die Daten für die Interessenten dann eventuell doch nicht ganz passen und es eventuell auch für die Gruppendynamik keinen Sinn macht, später anzureisen oder früher abzureisen.
8. Aufwand komplett unterschätzen
Auch wenn alles rund läuft und sich viele Leute melden, braucht man bei der Suche nach Mitbewohnern gegebenenfalls Durchhaltevermögen. Denn: Nicht jeder Interessent, nicht jede Interessentin passt. Man will ja eine gute Zeit zusammen verbringen. Wenn von vorne herein schon Bedenken sind, ob ein Kandidat der richtige ist, heißt es: Finger weg und weitersuchen. Der Prozess kann Spaß machen, kostet aber Zeit und Energie. Wenn man beruflich gerade viel um die Ohren hat, sollte man besser kein Co-Living planen. Denn es kann dauern, bis die Planung steht: Manchmal sagen Leute zu, melden sich dann aber nicht mehr. Man macht Termine für einen Videocall zum Kennenlernen aus, und dann kommt der Interessent nicht. Kommt vor, ist nicht schlimm, so sind die Leute und das Leben, zieht den Suchprozess aber in die Länge.
9. Es glänzt einfach nicht
Klar, ein Co-Living-Haus sollte super Internet haben, eine gut ausgestattete Küche und möglichst mehrere Schreibtische. Aber – vor allem, wenn man es nicht zu einem Spottpreis anbieten kann – sollte es glänzen. Ein bisschen zumindest. Also: Die Fotos sollten einen guten Eindruck von den schönen Räumen geben. Dazu erleichtern ein Pool, eine Dachterrasse, ein schöner Garten, die Nähe zum Meer, der tolle Blick auf die Berge oder… die Entscheidung, ausgerechnet bei deinem Co-Living dabei zu sein.
Mein Fazit
Von großen Planungen habe ich vorerst die Schnauze voll, wobei die Betonung auf vorerst liegt – denn die Erfahrung, in einem Haus mit einer Gruppe an Leuten zu leben und zu arbeiten, ist einfach zu schön, um nicht noch einmal einen Versuch anzugehen. Erst einmal wollen Fabian und ich aber kleinere Brötchen backen, das heißt: Bei der Auswahl von Unterkünften für uns beide hatten wir auf unserer Reise ja bisher immer ein glückliches Händchen. Oft gab es in den Wohnungen auch noch ein zusätzliches Schlafzimmer, das manchmal leer stand oder nur als Abstellraum genutzt wurde.
Warum nicht einfach das vermieten, wenn es möglich ist und ein Co-Living im Miniformat anbieten? So machen wir es gerade hier in Süditalien und so haben wir es auch im Januar in Albanien vor (bitte melden!). Diese Mini-Variante ist finanziell kein Risiko und hat den Vorteil, dass wir mit Orten, Preisen und Leuten weiter wertvolle Erfahrungen sammeln können, bevor wir noch einmal eine größere Planung wagen.